Freitag, 12. Dezember 2014

Ahkuna - Mit dem Herzen einer Wölfin - Kapitel 7


Die Wolfsprinzessin
Ahkuna:
Ich las mir das Märchen genau durch. Es war sehr viel, zu viel um ihm alles vorzulesen. Er wartete, doch ich schwieg. ,, Na? Willst du mir nicht vorlesen? ", fragte er und starrte mich an. ,, Naja... das ist ganz schön viel... Am besten ist, ich fasse es mit eigenen Worten zusammen:
Es war einmal ein Mädchen, das bei den Wölfen lebte. Einst wurde es bei ihnen ausgesetzt und sollte ihnen zum Fraß vorgeworfen werden, aber die Wölfe bekamen Mitleid und nahmen es bei sich auf. Sie nannten sie Ahkuna, was in der Sprache der Menschen übersetzt ,weiße Wölfin hieß.
So wuchs sie heran, fernab der Welt der Menschen, lernte sie zu fürchten und zu verachten , merkte aber irgendwann selbst, dass sie ein Mensch war. Eines Tages begegnete sie einem verletzten Soldat, der durch den Wald zog und sich versteckte . Er merkte sofort, dass etwas nicht stimmte und beschloss ihr zu helfen.
Am nächsten Tag erwachten beide bei einer weisen Frau, die dem Soldat versprach, sich gut um das Mädchen zu kümmern und ihm alles zu lehren , was es in der Welt der Menschen brauchte. Der Soldat kehrte in seine Heimat zurück, kam aber später wieder um Ahkuna das Kämpfen zu lehren. Ahkuna machte immer mehr Fortschritte. Sie ging nicht mehr auf allen Vieren, nur wenn sie jagte oder bei ihrem Rudel war, war geschickt in vielen Dingen und kannte sich bald besser mit Kräutern aus als die weise Frau. Ihr Rudel merkte, wie sich Ahkuna immer mehr veränderte und schickten sie fort. Sie verstand nicht warum , merkte aber dann, dass sie immer mehr zum Mensch wurde und wollte unbedingt ein Wolf werden. Die weise Frau schickte sie zu einem magischen See ins Nachbarkönigreich , wo die Fee des Schicksals wohnte. Diese meinte, sie solle zum Geist des Waldes gehen. Einige Monate später, im eisigen Winter fand er sie und bewahrte sie vor dem Erfrieren. Sein Geist vereinte sich mit ihrer Seele und er übertrug ihr all seine Mächte." Elias hielt inne, als er das Wort , Mächte' hörte: ,, Was für Mächte? " Ich setzte mich neben ihn auf sein Bett und zeigte ihm die Stellen im Text: ,,Die Macht der Unsterblichkeit, der Sprachen, des Sehens und der Natur." Elias nickte und forderte mich auf, weiter zu erzählen. ,, Dank seiner Mächte war sie in der Lage, sich in einen Wolf zu verwandeln. Erst bei Vollmond und später bei starker Willenskraft. So wie bei mir. Sie kehrte zu den Wölfen zurück, wurde verehrt und mehr den je im Rudel akzeptiert. Mit der Zeit wurde sie immer weiser und erfahrener. Sie half den Tieren, behandelte Verletzte und beschützte den Wald. Mit jeder neuen Erfahrung verfärbte sich jeweils eine Strähne ihres Fells, bis es ganz weiß war. Eines Tages jagte der Prinz von Wolfsberg in dem Wald und wollte beweisen, dass die Jäger nichts von diesem Wald zu befürchten hatten, weil immer mehr Gerüchte über mysteriöse Bestien erzählt wurden, die jegliche Jäger überfielen und zerfleischten. Bei der Jagd verletzte er sich, stürzte vom Pferd und lag bewusstlos im Gebüsch. Ahkuna fand ihn und behandelte seine Wunden. Sie fühlte sich schuldig für seine Wunden, weil sie ihn zuvor mit einem Stein gereizt hatte . Um ihn zu schützen, brachte sie ihn zum geheimen Tal ihres Rudels, wo er sich richtig auskurieren konnte. Mit der Zeit verliebten sie sich ineinander, konnten sich ihre Liebe aber nicht eingestehen. Der Prinz musste irgendwann in sein Reich zurück . Und Ahkuna war wieder allein. Doch mit der Zeit kamen immer mehr Jäger in den Wald und jagten nach Belieben. Sie verteidigte den Wald so gut es ging, konnte aber nicht für alle gleichzeitig da sein. Eines Tages wurde der König von Wolfsberg zornig und ließ alle Wölfe töten. Ahkuna blieb als einzige übrig . Voller Zorn beschloss sie, nicht aufzugeben und erlangte ihre Kräfte über die Naturgewalten. Sie konnte Felsen allein mit ihren Gedanken versetzen und verformen. In ihrem Herzen brodelte das Feuer. Ihr Hass auf die Menschen war unermesslich. Tag und Nacht trainierte sie ihre Kräfte, übertrug sie auf die Kampfkünste, sodass jeder Tritt, jeder Schlag etwas anderes bewirkte. Auch in ihrer Wolfsgestalt passte sie ihre Kräfte den Bewegungen an und verspürte mit jedem Tag, dass sie stärker und stärker wurde."
,, Ich glaub das reicht erstmal," unterbrach Elias mich und schnappte sich das Buch. ,, Wenn du meinst," erwiderte ich und hustete. Von der ganzen Erzählerei hatte ich einen trockenen Hals bekommen...Schnell brachte er mir ein Glas Wasser und holte einen Block . Er schrieb aus dem Märchen die wichtigsten Informationen heraus und erstellte einen Steckbrief von Ahkuna. ,, Also...wenn das stimmt, was in dem Märchen beschrieben wurde, trägst du einen Geist in dir, der dir die Mächte der Unsterblichkeit, der Sprachen , des Sehens und der Natur übertragen hat." Ich nickte nur und schaute ihm beim Schreiben zu. Erstaunlich, was er mit der Kralle an einem Ast alles machen konnte. ,,Vielleicht müssen wir einfach nur die Fee finden,"meinte er und runzelte die Stirn. Auf einmal nahm ich eine fremde Witterung wahr. Sie stammte von einem anderen Menschen, der sich geradewegs dem Zimmer näherte. ,,Elias!", zischte ich und packte ihn am Arm. ,,Was ist denn?," fragte er mich verwundert und zog seinen Arm zurück. ,,Da ist jemand...." Schnell ging er zur Tür um nachzusehen, da öffnete sich schon die Zimmertür und eine Frau trat ein. Ich nahm an, dass es seine Mutter war, weil sie ihm in gewisser Weise ähnlich sah. ,,Nanu? Wer ist das denn?", erwiderte sie und betrachtete mich etwas genauer. Als sie meine zerfetzte Kleidung sah, bekam sie einen Schock. ,,Ach du armes Ding!" ,,Mum! Es geht schon. Wir müssen jetzt los," blockte Elias schnell ab und zog mich mit sich. Doch sie stellte sich uns in den Weg und verschränkte die Arme. ,,Nicht so schnell Freundchen! Zuerst verrätst du mir, wer das ist. Es geht ja nicht, dass du einfach wildfremde Leute in unser Haus lässt." ,,Mum...Sie ist keine Fremde. Sie ist eine Freundin von mir," versuchte er sie abzuwimmeln und schob sich an ihr vorbei. Als ich an ihr vorbei wollte, versperrte sie mir den Weg und starrte mich an. ,,Verkehrst du neuerdings unter Obdachlosen", fragte sie ihren Sohn, ohne sich zu ihm umzudrehen und zupfte an meinem Mantel. ,,Es ist nicht so wie es aussieht," stammelte ihr Sohn und kam wieder zurück. ,,Ach ja und wie darf ich das bitte verstehen?", murrte sie und blieb hart. ,,Mum...Wir müssen jetzt los. Es ist schwer zu erklären...", sagte er und gab mir ein Zeichen, weiterzugehen. ,,Ihr wollt doch nicht etwa so auf die Straße?! Nichts da! Gib ihr ein paar Sachen von deiner Schwester. Die müssten passen," orderte sie und schickte uns in das Zimmer am Ende des Ganges. Auch hier stand ein schöner Schlafplatz, nur war die Decke nicht blau, sondern rot. Das ganze Zimmer war rot eingerichtet worden. Genervt öffnete er einen Schrank und pfefferte ein paar Anziehsachen auf den Schlafplatz. ,,Die müssten passen," murmelte er, ,,Beeil dich, es wird bald dunkel." Für einen Moment ließ er mich allein und wartete vor der Tür. Zunächst betrachtete ich die Anziehsachen. Eine rote Kapuzenjacke, ein helles Top und eine schwarze Hose. ,,Wow," stammelte ich und legte meine Kleidung ab. So etwas hatte ich noch nie getragen. Meinen alten Mantel hatte ich damals bei einem Mittelalterfest am Schloss geklaut. Das war zwar unanständig gewesen, aber ich hatte diesen Mantel gebraucht, sonst wäre ich im Winter erfroren. Und jetzt lief ich rum wie ein normaler Mensch! Bevor ich die Jacke anzog, schaute ich mich im Zimmer noch was um. An den Wänden hingen zahlreiche Bilder, die irgendwelchen berühmten Menschen zeigten. Auf dem einen war ein Mädchen mit ganz kurzen Haaren, oder war es doch ein Junge? Erst der Name verriet mir, dass es ein Junge war. Justin Bieber....nie gehört. Was seine Schwester wohl an den ganzen Menschen fand, die auf den großen Bildern waren. Auf einmal bemerkte ich eine Tür, die in einen kleinen Raum führte. Über einem Waschbecken hing ein großer Spiegel. Für einen Moment starrte ich in mein Gesicht. Ich hatte schon lang nicht mehr in den Spiegel geschaut. Unglaublich, wie ich mich verändert hatte... Damals war ich noch ein kleines Mädchen gewesen...
Neben dem Becken war ein kleiner Wasserhahn. Langsam drehte ich das Wasser auf. Klares Wasser floß aus ihm. Was für ein herrliches Gefühl...Bevor ich das Badezimmer verließ, wusch ich mich gründlich. Das saubere Wasser musste ich genießen. So etwas gab es im Wald nicht. Dort musste ich mit dem Wasser im Fluss und in den Bächen auskommen. Und das war mit der Zeit von den Menschen verunreinigt worden. Auch wenn es vergiftet war, trank ich es trotzdem . Ich hatte keine andere Wahl. Und bald würde auch der See vergiftet werden...aber das war ihnen bestimmt bewusst.
Schnell trocknete ich mich ab und zog mich an. Die Sachen passten wie angegossen. Bevor ich das Zimmer verließ, kämmte ich meine Haare ,setzte die Kapuze auf und stopfte meine alten Sachen in den ledernen Beutel, in dem all meine wichtigsten Gegenstände aufbewahrte. Als ich das Zimmer verließ, wurde ich schon sehnsüchtig erwartet. Für einen Moment verharrte er und starrte mich sprachlos an. ,,Was ist? Sehe ich so komisch aus?", fragte ich ihn, als sein Mund offen stand. ,,Nein...Du siehst gut aus," stammelte er und ging voraus. Plötzlich vernahm ich den Geruch von gebratenem Fleisch und spürte, wie mein Magen knurrte. Er kam aus der Küche, wo seine Mutter bestimmt kochte. ,,Wollt ihr nicht wenigstens zum Essen bleiben?", rief seine Mutter und kam aus der Küche. ,,Das ist nett von Ihnen, aber wir müssen jetzt los," lehnte ich ihr Angebot nur ungern ab und wurde von Elias auf die Veranda gezogen. ,, Zum Essen haben wir später noch Zeit,"meinte er, doch seine Mutter funkte dazwischen:,, Ach was. Kommt wieder rein! Das Mädchen muss was essen! Schau sie dir doch mal an, wie abgemagert sie ist. Sie muss ja halb verhungert sein!" Widerwillig ging er mit mir zurück ins Haus und setzte sich an den Küchentisch. Ich setzte mich neben ihn und betrachtete das Besteck, das vor mir lag. Ich hatte lange nicht mehr mit Besteck gegessen. Als seine Mutter das Essen servierte, wartete ich ab, bis sie ihr Besteck nahmen und machte es ihnen nach . Die Gabel in die linke Hand, das Messer in die Rechte. Zunächst war es gar nicht so leicht, ein Stück Fleisch auf der Gabel zu balancieren. Nach mehreren Versuchen schaffte ich es. ,, Stimmt etwas nicht?", fragte seine Mutter und starrte mich an. ,, Ne Ne alles bestens,"beteuerte ich und
aß bescheiden weiter. Wäre das Besteck nicht gewesen, hätte ich mich bestimmt auf das Essen gestürzt und mit einem Habs runtergeschlungen. Das Essen war sehr lecker. Wenn man bedachte, dass ich mich jahrelang von gebratenen Vögeln ernährt hatte, war das eine gute Mahlzeit. ,,Warum trägst du hier drinnen eine Kapuze?", fragte seine Mutter nach einiger Zeit. ,, Ähm das ist gerade in so," meinte Elias und schitt einr Kartoffel klein. ,, Ach was. In der Stadt hab ich niemanden gesehen, der das so macht,"sagte sie und zog mir die Kapuze runter. ,, Du hast doch ein schönes Gesicht. Das musst du doch nicht verstecken!" Ich lächelte nur verlegen und bemerkte, wie Elias mich erneut anstarrte. ,Hatte er eigentlich jemals mein Gesicht gesehen? Ich meine schon. Im Wald ...wieso starrt er mich dann so an?', dachte ich und schob mir die Gabel in den Mund.
Nach dem Essen halfen wir ihr noch beim Abwasch und machten uns dann sofort auf den Weg. Mittlerweile war es dunkel geworden, sodass wir acht geben mussten, wo wir hintraten. Allein durch die Witterung führte ich uns zum See.
Magisch schimmerte sein Wasser im Antlitz der Sterne und spiegelte ihren Schein wider.
Nun musste ich es wagen...noch einmal im See zu schwimmen. Das musste ich ganz alleine tun. ,, Lass mich bitte allein,"murmelte ich und öffnete den Reißverschluss der Jacke. ,, Natürlich!", stammelte er und verschwand im Gebüsch. Langsam entkleidete ich mich und legte die Sachen auf einen Felsen. Zitternd näherte ich mich dem Ufer. Eine sanfte Brise küsste meine Haut und ließ mich leicht frösteln. Behutsam stieg ich ins Wasser und ging Schritt für Schritt weiter, bis das Wasser tief genug war, um zu schwimmen.

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