Sonntag, 11. Mai 2014

Ein neues Leben?

Wiedermal konnte er nicht schlafen. Egal auf welche Seite er sich drehte, kaum hatte er die Augen geschlossen, waren die Bilder aus seiner Erinnerung wieder da. Immer dieses helle Licht eines Scheinwerfers in den Gedanken ließ ihn schaudern und er wachte wieder auf. Starr schaute er sich um. Um ihn herum schlafende Jungen in ihren Betten, die nichts sehnlicher erwarteten, als eine neue Familie zu finden. Doch er wollte keine neue Familie, er wollte seine alte zurück, dass alles wieder so war wie früher. Doch diesen Wunsch konnte ihm keiner erfüllen. Leise stand er auf und setzte sich auf die Fensterbank eines offenen Fensters. Draußen lag die ruhende Welt, von Sternen hell erleuchtet . Wundersam schliefen die Wälder, vom Nebel sanft umhüllt. Jason blickte in den Himmel empor. Ein leichter Wind wehte an dieser warmen Sommernacht in den Schlafsaal des Waisenhauses. Eine Sternschnuppe streifte den Nachthimmel und verlor sich am Horizont. ,,Irgendwo dort oben sind meine Eltern", sagte er zu sich leise, ohne die anderen aufzuwecken. So hockte er da bis der Morgen graute und die anderen unsanft aus ihren Träumen gerissen wurden.






Am nächsten Morgen war es vorbei mit der friedlichen Stille. Überall tobten Kinder, spielten und hatten Spaß. Jason konnte keinen Spaß ertragen und suchte sich ein ruhiges einsames Plätzchen. Nun waren schon drei Monate vergangen. Drei Monate seit dem Unfall, an dem seine Eltern umgekommen waren. Jason sah diesen Lkw noch immer vor sich, wie er gerade in das Auto hineinraste. Jason hatte auf der Rückbank gesessen und seinen Eltern beim Streiten zugehört. Das letzte was er sah war das Licht des Scheinwerfers des Lkws. Einen Monat später wachte er mit schweren Verletzungen aus einem Koma auf. Seine Eltern waren bei dem Unfall wohl direkt tot gewesen. 
Nun saß er dort allein , tief in seinen Gedanken versunken und ließ niemanden in seine Welt. 
Plötzlich wurde er von dem Heimleiter ins Büro geschickt, wo ein junges Pärchen auf ihn wartete. Jason wusste sofort was los war und schrie den Heimleiter an: ,, Vergessen Sie es! Ich will keine neuen Eltern! Ich will mein altes Leben zurück!" Das Pärchen schaute ihn verwundert an. Die Frau schaute ihn mit mitfühlenden Augen an : ,,Jason. Ich kann dich verstehen. Aber auch du musst irgendwann akzeptieren, dass das Leben weiter geht und du einen neuen Weg einschlagen musst. Wir bieten dir ein neues Zuhause an, eins das besser ist wie dieses laute Heim. Wir wohnen in einer kleinen Hütte im Wald. Dort hast du viel Ruhe zum Nachdenken. Wir möchten nicht direkt deine Eltern ersetzen. Wir möchten für dich da sein als Freunde , und dir in schlechten Zeiten beistehen, damit du den Tod deiner Eltern besser verkraften kannst."

Jason war verwirrt, gleichzeitig aber auch erleichtert und beschloss, mit ihnen zu kommen . In dem Heim war er bisher immer nur allein gewesen. Er konnte diese Freude nie empfinden, die die anderen beim Spielen ausstrahlten. 

In seinem neuen Zuhause angekommen, schaute er sich überall um. Das Ehepaar hatte sogar schon ein Zimmer für ihn eingerichtet. Überall herrschte Stille. Sie wohnten direkt am Ufer eines großen Sees, auf der anderen Seite lag das Waisenhaus, das man von einem aus gut beobachten konnte.                                                                                 
Die erste Nacht in einem neuen Zuhause, totenstill. Jason konnte einfach nicht einschlafen und schaute aus dem Fenster auf das flache Wasser des Sees, das den Nachthimmel wiederspiegelte. 
,Ein neues Leben? Ohne meine Eltern? Nein danke!´, dachte er und ging hinunter zum Ufer des Sees. Plötzlich bemerkte er , dass jemand hinter ihm war. Als er sich umdrehte, konnte er seinen Augen nicht trauen. Es war seine Mutter. Wie ein Geist schwebte sie über den Boden , in einem langen weißen Gewand, fast wie ein Engel glich ihre Gestalt. ,,Mama?", fragte Jason ängstlich. ,,Jason... Lebe weiter und werde glücklich. Ich bin in deinem Herzen bei dir. Gib nicht auf. Dich trifft nicht die Schuld an unserem Streit. Das Schicksal wollte uns für unsere Unachtsamkeit bestrafen. Sei immer achtsam." Mit diesen Worten verschwand sie wie ein Nebel  der sich am Morgen auflöste. Jason blieb fassungslos zurück. Tränen liefen an seinen Wangen herunter , aber nicht aus Traurigkeit, sondern vor Glück. Endlich konnte er sicher sein, dass es seinen Eltern gut geht. Nun war er bereit für sein neues Leben, ein Leben voller Hoffnung. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen